Endlich wieder Theater am Stiftland-Gymnasium. Nach zwei Jahren pandemiebedingter Aufführungspause legte die Theatergruppe der Jahrgangsstufen 8 bis 12  unter der bewährten Leitung von Studiendirektorin Ina Schmelzer mit einem gelungenen Experiment einen fulminanten Neustart auf die Bühne, der die zahlreichen Zuschauer bei der Premiere dieser Eigenproduktion restlos begeisterte.


Zum ersten Mal lag der Präsentation kein Spieltext zugrunde.  Der Plot des Märchens von Hans Christian Andersen diente lediglich als Handlungsgerüst. Die Dialoge der selbst entworfenen Szenen wurden bei den Proben von der Gruppe selbst entwickelt und niemals schriftlich fixiert. Dabei griffen die Akteure auf literarische Versatzstücke aus Werken von Goethe (Faust, Zauberlehrling) bis Kafka (Die Verwandlung) zurück und vereinten so die Tradition des Märchens mit postmodernen Zügen. In diesem halten sich Unterwasserwesen vorzugsweise von Menschen fern – bis die kleine Meerjungfrau sich unsterblich ausgerechnet in einen Menschen-Prinzen verliebt und in der Folge schwere Lebensentscheidungen, die mit körperlichen und seelischen Schmerzen einhergehen, treffen muss. So opfert sie der Seehexe  ihre Zunge, damit diese ihr in einem schmerzlichen Prozess der Verwandlung Menschenbeine wachsen lässt. Doch nutzt ihr ihre Menschwerdung nicht wirklich, denn der hartherzige Prinz nimmt eine andere zur Frau und sie selbst kann in der Welt der Menschen – ihrer Kommunikationsmöglichkeiten beraubt – auch nicht heimisch werden. Dennoch entscheidet sie sich am Ende in einem Akt der Liebe und Menschlichkeit dagegen, den Prinzen zu töten, was ihr die Rückkehr zu den Meerwesen ermöglicht hätte. Letztendlich wird sie von den Luftwesen aufgenommen, die in einem geisterhaften Zustand zwischen Leben und Tod ihr Dasein fristen: über den Wolken, wo die Freiheit grenzenlos ist.


Die Theatergruppe erzählte diese Geschichte von unerwiderter Liebe in imposanten Bildern, die zu Beginn der Aufführung eine ganze Zeit lang völlig ohne Text auskamen und trotzdem eine immense Spannung aufbauten. Dies lag vor allem an den außergewöhnlichen  pantomimischen und tänzerischen Leistungen der Spieler, die beispielsweise in Szenen, die im oder auf dem Wasser spielen und unter anderem quasi im Vorbeigehen die rücksichtslose Verschmutzung der Meere thematisieren, auch körperlich an ihre Grenzen gingen. Überhaupt sprühte die Inszenierung nur so vor Ideenreichtum – auch in den Nebenhandlungen. So begegnet die kleine Meerjungfrau in einer urkomischen Szene in einer Selbsthilfegruppe Faust, Gregor Samsa und Peter  Schlemihl, die alle ihre Verluste beklagen. In einem anderen Auftritt wird in einer Fernsehshow  im Stile „Prinz sucht Frau“ die unsägliche Qualität einiger Programme privater Sender aufs Korn genommen.


Die engagierten schauspielerischen Leistungen, die die Theatergruppe zeigte, waren das Resultat zahlreicher intensiver Proben, auch an Wochenenden. Aus einem homogen überzeugenden Ensemble von 18 Schauspielern einzelne Darsteller und Darstellerinnen herauszuheben, verbietet sich. 


Neben dem beeindruckenden Spiel der Akteure faszinierten vor allem immer wieder die ästhetische Qualität der Bilder, die auf die Bühne gezaubert wurden, sowie der effektvolle Einsatz von Technik und Musik. Der anhaltende Beifall am Ende der Aufführung war der verdiente Lohn für eine engagierte, couragierte und eindrucksvolle Darbietung sowie für den Mut der verschworenen Gruppe, dieses Experiment einzugehen.


Nach der Vorstellung bedankte sich der Schulleiter Albert Bauer bei allen Darstellern und ehrte Ina Schmelzer für ihr mittlerweile zwanzigjähriges erfolgreiches Wirken als Theaterlehrerin am Stiftland-Gymnasium mit einer Skulptur des renommierten  Marktredwitzer Künstlerehepaars Bärbel und Horst Kießling.