Im Juli dieses Jahres besuchten die 9. und 10. Klassen das KZ Flossenbürg. Unter normalen Bedingungen fände diese Exkursion in der 9. Klasse passend zum Unterrichtsthema in Geschichte statt.

Da die dunkle Zeit des Nationalsozialismus und somit auch Konzentrationslager bereits im Unterricht behandelt wurden, hatte jeder eine grobe Vorstellung, was ihn erwartete. Es alles aber mit eigenen Augen zu sehen, in den Gebäuden zu stehen, in denen vor ca. 80 Jahren zu Unrecht verhaftete Menschen gedemütigt und gequält wurden, ließ einen noch viel entsetzter und erschütterter sein. Wir wurden in Gruppen von zehn bis zwölf Schülern von dem jeweiligen Führungsleiter über das Gelände geführt und auch diejenigen, die privat schon einmal dort gewesen waren, waren nach den anschaulichen und schockierenden Erzählungen der Rundgangsleiter tief betroffen.

Auf dem Gelände angekommen fällt einem sofort ein großer, düsterer, einen förmlich erschlagender unübersehbarer Steinbau ins Auge – die Kommandantur. Dann wies uns unser Rundgangsleiter auf eine Anhöhe neben dem Lagervorplatz hin. Er erklärte uns, dass hier damals ein Tennisplatz war. Auf diesem spielten die SS-Leute Tennis und amüsierten sich, obwohl unter ihnen im Lager so viele unschuldige Menschen täglich, auch durch ihre Hand, starben. Nur ein Beispiel für die zwei Gesichter, welche die Wachmannschaft zu haben schien.

Auf dem Weg in den Häftlingsbereich wurden wir auf die Pfeiler links und rechts am Eingang hingewiesen, die das alte Lagertor symbolisieren. Wir bekamen ein Bild des alten Tors gezeigt, auf dem an einem der damaligen Pfosten „Arbeit macht frei“ geschrieben stand. Hierzu erzählte man uns Fakten, welche die Grausamkeit dieses ganzen Systems ziemlich deutlich machten: Ein belgischer Häftling, der in Flossenbürg ankam, wagte es einen SS-Wachmann zu fragen, was dieser Spruch bedeutete, woraufhin dieser auf den aus dem Krematorium aufsteigenden Rauch zeigte und ihm erklärte, wenn er dort sei, dann sei er frei.

Dann betraten wir den ehemaligen Häftlingsbereich und wurden an den Ort des damaligen Häftlingsbads geführt. Hier begann zu Zeiten des NS-Terrors das perfide System von Demütigung und Psychoterror. Die neu angekommenen Gefangenen mussten sich ausziehen, wurden aller ihrer persönlichen Dinge beraubt und ihre Haare wurden geschoren. Der ehemalige Häftling Vittore Bocchetta sagte hierzu einmal: „Hier haben wir nicht nur die Kleidung verloren, sondern unsere Seele.“ Danach mussten sich die Deportierten in den Waschraum stellen und wurden abwechselnd mit heißem und kaltem Wasser geduscht und zusätzlich mit einem Feuerwehrschlauch abgespritzt. Einige der Häftlinge, die bereits vor ihrer Ankunft in Flossenbürg den Strapazen in anderen Konzentrationslagern ausgesetzt waren, überlebten diese Tortur nicht. Doch war dies erst der Anfang eines Systems von Demütigung und Psychoterror, durch das die Unschuldigen ihre Würde und Identität verloren. Uns wurde erzählt, ein Gefangener berichtete einmal, hätte man ihn damals nachts geweckt, hätte er eher seine Häftlingsnummer als den Namen seiner Mutter gewusst. Wenn man die Lagertore passierte, wurde man von einem Menschen mit einer Geschichte, mit Freuden, mit Gefühlen, mit einer Identität zu einer Nummer. Von einem Lebewesen mit Wert und Würde zu einer reinen Zahlenfolge, zu etwas für das System der Nazis Wertlosem, dass nur dazu genutzt werden kann, ihm die letzte Kraft zu rauben und in diesem Fall durch die Arbeit im Steinbruch, die sie verrichten mussten, noch Profit aus ihnen zu schöpfen.

Zu diesem Zeitpunkt waren wir alle schon sehr erschüttert. Doch dann betraten wir das „Tal des Todes“. Es trägt seinen Namen unter anderem deshalb, weil damals die Toten hier ins Krematorium kamen. Heute ist es der Ort, an dem noch das meiste, wie z. B. das Krematorium oder die Wachtürme, erhalten ist, da die nach dem Krieg Heimatlosen hier schon sehr früh eine Gedenkstätte errichteten. Mitten im Tal steht eine mit Gras bewachsene Pyramide. Hier wurde die Asche der im KZ zu Tode gekommenen Häftlinge aufgetürmt. Die SS-Leute hatten diese nur im Wald daneben verstreut, da diese Menschen für sie keine Würde hatten, wertlos waren. Daneben befindet sich der Platz der Nationen, auf dem für jene Nationen, aus denen die meisten der über 100.000 Häftlinge und 30.000 Opfer kamen, eine Gedenktafel aufgestellt ist. Beim Blick über dieses Tal standen mir für einen kurzen Moment die Tränen in den Augen, da einem an diesem Ort wirklich bewusst wird, wie viele Menschen hier sinnlos ihr Leben lassen mussten. Wie viele Menschen einfach aus ihrem Leben gerissen wurden, nur weil sie nicht in ein System passten – ein völlig menschenverachtendes System.

Doch was bleibt? - Es gibt immer weniger Zeitzeugen, die von ihrem Schicksal berichten können. Und genau das macht es umso wichtiger, dass Gedenkstätten wie diese besucht werden. Was mir persönlich sehr in Erinnerung bleibt, ist die Stille in der Gruppe während der Führung. Keiner sagte ein Wort, alle waren andächtig in Ehrfurcht vor denen, die hier sinnlos ihr Leben lassen mussten. Und auch das Gefühl, nicht würdig zu sein, an einem sonnigen Julitag durch ein Gelände zu schreiten, das für so viele Menschen Demütigung, Verzweiflung und Tod bedeutete. Was bleibt, ist die Erinnerung. Die Erinnerung an das, was passiert ist und nie wieder geschehen darf.

Sophie Zandt, 10a