„Heimat, Tradition, Brauchtum“: Jeder verbindet etwas anderes mit diesen Begriffen, auch wenn ersterer wie kaum ein anderer die Gemüter zuverlässig erhitzen kann. Ferner klingt er altmodisch, irgendwie unpassend in einer vernetzten, grenzenlos gewordenen Welt, die wir sogar „globalisiert“ nennen. Und dennoch gibt der Lehrplan in Bayern vor, sich mit diesen Begrifflichkeiten auseinanderzusetzen, was auf unterschiedlichste Weise geschehen kann.

Auf den ersten Blick eher ungewöhnlich ist der Ansatz zu nennen, welcher am Stiftland-Gymnasium zu dieser Thematik erstmals verfolgt wird, nämlich ein P-Seminar, welches sich mit Sauerkrautherstellung und der Fermentation von diversen Gemüsesorten näher beschäftigt. Doch was hat dies mit Geschichte, Heimat und Brauchtum zu tun, wird sich der ein oder andere fragen.

Die Antwort ist leicht: Zum einen soll hier den Schülern gezeigt werden, wie unsere Altvorderen früher versucht haben, die karge Zeit der Wintermonate zu überbrücken bzw. in kulinarischer Hinsicht abwechslungsreicher zu gestalten, zum anderen sollen aber auf diese Weise so manche mittlerweile in Vergessenheit familieneigenen Traditionen und Bräuche wiederbelebt werden.

Um den interessierten Mitgliedern des Seminars jeden einzelnen Schritt bei der Krautherstellung an der Schule plastisch vor Augen zu führen, wurde mit einem großen Krauthobel zunächst ein ganzer Kopf klein gemacht. Nachdem jedoch das Hobeln eines ganzen Zentners einerseits zu lange gedauert hätte, und dies aufgrund der messerscharfen Klingen recht gefährlich ist, bot der Mitterteicher Gemüsehändler Kern an, dies für das Projekt zu übernehmen. Wie zu erwarten war das anschließende „Eintreten“ des Weißkrauts das eigentliche Highlight selbst für die schon erwachsenen Schüler, die von ihren Verwandten und Großeltern schon manche abenteuerliche Geschichte gehört hatten. Tatkräftigt unterstützt wurden sie dabei vom Mitterteicher Schottianer Stefan Klinger, der seit Jahrzehnten erfolgreich Kraut einstampft und dem es seit vielen Jahren ein besonderes Herzensanliegen ist, dass solche Traditionen nicht verschwinden und der viele praktische Tipps hierzu parat hatte. Nach dieser praxisnahen Einführung ging es für die Schüler schließlich daran, das Erlernte nun daheim selber umzusetzen, wobei erste Hürden genommen werden mussten: Wo bekommt man ein Krautfass mit den Holzbrettern her und wie haben es die eigenen Großeltern eigentlich früher gemacht? Wie manche Kursteilnehmer grinsend berichteten, entwickelte sich diese „Hausaufgabe“ letztlich zu einem Projekt, bei dem die ganze Familie mit eingebunden wurde, wo alte Rezepte herausgekramt und Bekannte zu diesem Thema befragt wurden. Dem Konnersreuther Marius Ulrich gelang es auf Anhieb so gut, dass seine Familie begeistert beschloss, auch in den kommenden Jahren wieder Sauerkraut herzustellen, trotz der damit verbundenen Arbeit, womit dieses unkonventionelle Seminar seinen Zweck voll erfüllt hätte, nämlich die Beschäftigung mit Heimat, Tradition und Brauchtum.

Klaus Schoefl